Wie könnte hilfreiche Digitalisierung bei der öffentlichen Hand aussehen?

Ein Web-Formular ist schnell erstellt und Anbieter von Formular Tools gibt es einige. Wir haben gelernt, dass diese allerdings den Digitalisierungsrückstand nicht lösen.

Was ist also der Status Quo?

Die Bundesregierung hat mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) festgelegt, dass knapp 600 Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 digital angeboten werden müssen. Es reicht zudem nicht, sie online verfügbar zu machen, sie müssen auch vom Bürger genutzt werden. Hier findet also nicht nur die Veränderung von analog zu digital statt, sondern eben auch der Paradigmenwechsel weg von der Verwaltungssicht hin zur Nutzer- bzw. Bürgerbedarfs- orientierung. Nicht nur die Bundesregierung will die Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben, sondern es ist auch der politische Wille im Freistaat Bayern.

Da die Kommunen, Städte und Gemeinden circa die Hälfte der im Onlinezugangsgesetz (OZG) festgelegten Verwaltungsleistungen umsetzen müssen, sind sie unter Druck geraten.

Die Kommunen benötigen Instrumente, mit denen sie Daten von Bürgern abfragen und verarbeiten können. Diese Bedürfnisse ändern sich immer wieder (Stichwort Corona Test- und Impfanmeldungen). Die meisten Kommunen stehen vor ähnlichen Problemen, sind unzufrieden und brauchen jetzt bezahlbare Lösungen dafür.

Die öffentliche Hand kann sowohl mit den größeren teilstaatlichen Anbietern wie AKDB in Bayern oder Unternehmensberatungen wie PWC als auch mit privatwirtschaftlichen Produktanbietern zusammenarbeiten. Diese Unternehmen sind bereits seit langem etablierte Unternehmen, die Start-ups kommen eher mit spezifischen Lösungen an den Markt und scheinen auch akzeptiert zu werden; Beispiel: Little Bird für Kita Plätze.

Öffentliche Einrichtungen erwarten finanzielle Solidität, Referenzfälle und Rechtssicherheit der Produkte. Start-ups hingegen erwarten eine gewisse Entscheidungsfreude und -geschwindigkeit sowie zeitnahe Umsetzung.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Es gibt zeitlichen Druck, genügend Fördermittel im Markt, Kunden, die sehr unzufrieden mit dem aktuellen Marktangebot sind und Marktteilnehmer, die diese Nachfrage nicht heben können.

Wir sehen vier Problemfelder, die die Digitalisierung des öffentlichen Sektors behindern

  1. Es gibt den sogenannten Vendor Lock-in: Sind Systeme einmal angeschafft, gibt es einen starken Anreiz diese zu behalten. Man kennt sie schließlich und sie funktionieren großteils. Die Daten aus den Systemen wieder heraus zu bekommen, ist schwierig.
  2. Integrierte Systeme oder auch Volldigitalisierung funktioniert nur, wenn die Systeme miteinander sprechen können. Die fehlenden Standards (ein DIN4 Blatt ist eben immer gleich groß) führen zu großem Programmieraufwand, um die Behörden/öffentlichen Einrichtungen digital miteinander kommunizieren zu lassen.
  3. Der Umgang mit Komplexität ist - wie überall anders auch - fordernd. Gesetze müssen eingehalten werden. Es gibt noch keine standardisierte Architektur, die es erlaubt Prozesse an die lokalen Gegebenheiten anzupassen und der Föderalismus tut sein übriges dazu. Es gibt viele Ebenen und Beteiligte, die Einfluss üben wollen und müssen. Und hinter dem Ganzen steht noch der politische Wille.
  4. Mangelndes technisches Wissen in der Politik und Verwaltung führen zu einer Abwehrhaltung oder zu teuren Fehlentscheidungen. Wer nicht weiß, was technisch alles geht, weiß auch nicht wie schwierig oder einfach gewisse Vorstellungen umsetzbar sind.

Was sind nicht die Probleme?

  1. Es ist nicht möglich Nutzerfreundlichkeit bei der öffentlichen Hand zu implementieren. Dafür gibt es Menschen, die sich mit Service Design auseinandersetzen. Und Expert:innen zu den Inhalten sitzen ja in der Verwaltung.
  2. Technische Umsetzungskraft. Das Argument, dass die ITler:innen lieber in die Wirtschaft gehen, weil die besser bezahlt, ist schwach. Open Source Software würde nicht funktionieren, gäbe es keine Programmierer:innen, die gratis ihre Zeit investieren, um Lösungen zu programmieren, die anderen weiter helfen. Das ist ein starkes Signal, dass es der Tech Branche neben einer adäquaten Bezahlung auch wichtig ist, an relevanten Problemen zu arbeiten.
  3. Datenschutz. Die Angst, dass die Daten beim Staat nicht sicher sind, ist berechtigt. Das man datensichere Lösungen in Deutschland entwickeln kann, zeigt jedoch die Corona Warn App.
  4. Wir sind nicht Estland. Estland hat etwa die Einwohnerzahl von München. Das Beispiel ist ausgelutscht. Das Finanzamt ist eine sehr schnelle und digitale Behörde (Elster).

Mögliche Lösungsansätze

  1. Offene Datenformate und Dokumentation

Durch das Nutzen etablierter Standards wird ein besseres Zusammenspiel mit bestehender Infrastruktur ermöglicht. Eine verständlich aufgebaute Dokumentation erlaubt es Drittanbietern sehr leicht, zusätzliche Erweiterungen zu programmieren und die Schnittstellen zur Weiterverarbeitung zu nutzen.

  1. Plattformunabhängig mit offenen Standards

Ergebnisse aus Systemen sollen über offene Schnittstellen abgefragt werden und ermöglichen damit auch individuell gestaltete Benutzeroberflächen. Gerade Unternehmen, die häufig gleichartige Anfragen stellen müssen, können anhand dieser Systeme ihre Abläufe automatisieren. So können auch unternehmensinterne Richtlinien besser eingehalten und durchgesetzt werden. Das offene Datenformat erlaubt es, eigene Oberflächen dafür bereit zu stellen, die beispielsweise bestimmte Felder vor ausfüllen.

  1. Entscheidungswege deutlich verschlanken

Es gibt das Einer für Alle-Prinzip, den IT Planungsrat, FITKO, den Normenkontrollrat... Eine gelungene Übersicht dazu hier:

OZG-Umsetzungsstruktur Bildquelle

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Jörn Bernhardt
Jörn Bernhardt, Geschäftsführer und Co-Gründer von compose.us
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